Name/Bezeichnung

Alveoläres Weichgewebesarkom

Englische Bezeichnung

Alveolar soft part sarcoma (ASPS)

Herleitung/Wortstamm

„alveolär“ = kleine Mulde

Bild des Sarkomtyps

(sog. „makroskopische Darstellung“)

 ASPS Bild Sarkomtyp

Alveolarzellsarkom auf der Zunge eines jugendlichen Patienten

Bildquelle: Suarez, A et al., Cureus 12 (11), 2020

Bildliche Darstellung des Gewebes (Histologie)

                              

  ASPS Bild Histologie       

Histologie Alveolarzellsarkom

Bildquelle: https://en.wikipedia.org

Beschreibung des Gewebes (Ursprung)

Unbekannte oder nicht klar zuzuordnende Zellherkunft

Kurzbeschreibung

Das Alveolarzellsarkom ist ein sehr selten auftretendes Weichteilsarkom. In der medizinischen Fachliteratur wird die Häufigkeit des Auftretens von 0,2% bis 1,0% aller Sarkome beschrieben. Das alveoläre Weichgewebesarkom ist ein sehr langsam wachsender Tumor, dessen Ursprung (also die Lokalisation der ursprünglichen Zellen) unbekannt ist.

Dieser Subtyp der Weichgewebesarkome ist stark gefäßneubildend – d.h. im Zuge seiner Ausdehnung werden Blutgefäße stark mit eingebunden. So ist der Tumor mit dem Blutkreislauf des Patienten verbunden – eine Ausbreitung von Tumorzellen in den Blutstrom ist möglich.

Häufigkeit

Ca. 0,2 bis 1% aller Sarkome sind alveoläre Weichgewebesarkome.

(Zur Erinnerung: Sarkome sind seltene bösartige Tumoren, die entweder vom Weichteilgewebe (z.B. Bindegewebe, Muskelgewebe, Fettgewebe) oder vom Knochen/Knorpel ausgehen. Die Häufigkeit von Knochentumoren beträgt ca. 0,1%, die der Weichteilsarkome ca. 1% aller bösartigen Tumoren im Erwachsenenalter.)

Vorkommen/Körperregion (Lokalisation)

Alveoläre Weichgewebesarkome bilden sich zumeist in den Muskeln des Oberschenkels und/oder des Unterschenkels sowie in den Weichteilen des Beckens. Sie können aber auch in den oberen Extremitäten (Hände, Arme, Genick, Kopf) auftreten. Das alveoläre Weichgewebesarkom gehört zur Gruppe der Weichgewebesarkome – es kann sich aber auch in Knochenstrukturen ausbreiten und dort wachsen.

Das alveoläre Weichgewebesarkom tritt meist zwischen dem15. und 35. Lebensjahr auf – etwas häufiger bei Mädchen und Frauen. Typische Tumorlokalisationen sind die Gesäß- (= Gluteal-) und Oberschenkelmuskulatur (ca. 40% der Fälle), die Muskulatur der oberen Extremitäten sowie der Unterschenkel (ca. 35%) und die Muskulatur der Brust- und Bauchwand (ca. 13%). Bei Kindern unter 10 Jahren sind zusätzliche bevorzugte Stellen zum Auftreten dieses Subtyps der Kopf- und Halsbereich (Augenhöhle, Zunge, Nacken).

Verteilung nach Alter/Geschlecht

Hauptsächlich findet sich das alveoläre Weichgewebesarkom bei jungen Erwachsenen und Kindern – also bei Patienten unter 30 Jahren. Es kann aber auch in jedem anderen Lebensalter auftreten. Geschlechterverteilung: das alveoläre Weichgewebesarkom findet sich ein wenig häufiger bei Mädchen und Frauen.


Mögliche Ursachen bzw. Risikofaktoren

Das X-Chromosom ist eines der beiden Geschlechtschromosomen (Gonosomen) des Menschen. Die Frau besitzt zwei X-Chromosomen, der Mann je ein X- und ein Y-Chromosom. Das X-Chromosom ist größer als das Y-Chromosom. Beim alveoläre Weichgewebesarkom bricht ein Teil des X-Chromosoms ab und verbindet sich mit Chromosom 17. (Dies ist eines der 23 Chromosomenpaare des Menschen.)

  Chromosomenpaare Mensch

  

23 Chromosomenpaare des Menschen

Bildquelle:  Wikipedia: National Human Genome Research Institute

 

Alveoläre Weichgewebesarkome weisen eine Chromosomentranslokation – also eine Verschmelzung von Chromosomenabschnitten – auf, die zu einer abnormalen Verbindung zwischen zwei bestimmten Genen (ASPL und TFE3) führt. 

Symptome

Hauptsymptome sind (zunächst) schmerzlose Schwellungen. Wächst das Sarkom weiter, entsteht ein Druck auf z.B. Nerven und/oder Muskeln, was dann zu Schmerzen führt. Die Bewegungsfreiheit der Patienten ist eingeschränkt.

Diagnostik/Differential-

diagnostik

Durch das langsame Wachstum dieses Tumorsubtyps und die erst spät in sehr geringer Zahl auftretenden Symptome sind die Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnose oft schon sehr groß.

Absiedelung von Krebs-

zellen (Metastasierung)

Metastasen verbreiten sich über das Blutsystem des Körpers („hämatogen“) – vornehmlich in die Lungen oder das Gehirn des Patienten. Je größer der Primärtumor ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Metastasierung zum Zeitpunkt der Diagnose.

Das Wiederauftreten des Tumors an gleicher Stelle (sog. „Lokalrezidiv“) ist auch noch einige Jahre nach der Operation möglich. Es hat sich gezeigt, dass dies auch nach über einem Jahrzehnt nach der ersten Behandlung auftreten kann.

Behandlungsformen

  • Operation und Bestrahlung an der Primärlokation
  • Die Bestrahlung nach der Operation wird in Erwägung gezogen, wenn der Chirurg im Zuge der operativen Entfernung des Tumors keinen ausreichend großen Rand von gesunden Zellen um das Tumorgewebe herum mit entfernen konnte. (sog. „R0-Resektion“).
  • Bei Metastasen in der Lunge ist Chemotherapie eine Option, wenn eine Operation nicht mehr möglich ist
  • Der Tumor an sich scheint auf eine Chemotherapie nicht anzusprechen (= „Chemotherapieresistenz“)

Medikamentöse Therapien

Wie erwähnt, scheint das alveoläre Weichgewebesarkom auf eine Chemotherapie nicht anzusprechen – man spricht auch von einer „Chemotherapie-refraktärität oder -resistenz“. Durch das Nicht-Ansprechen auf eine Chemotherapie bzw. die Tatsache, dass "mit üblichen Mitteln der Chemotherapie nicht therapiert werden kann", kommen vorzugsweise chirurgische Therapiemaßnahmen (Metastasektomien) zum Einsatz. Auch ist der Einschluss in eine Therapiestudie zu erwägen.

Für alveoläre Weichgewebesarkome wurde ein Ansprechen auf so genannte Tyrosinkinasehemmer (Sunitinib, Pazopanib und Cediranib) berichtet. Auch Trabectedin hat sich in verschiedenen Untersuchungen als wirksam erwiesen. Allerdings sind bisher nur Trabectedin und Pazopanib für die Behandlung bestimmter Sarkom-Subtypen einschließlich dem alveolären Weichgewebesarkom in der EU zugelassen. Weitere Wirksamkeitsstudien sind vonnöten.

Verlaufskontrollen

Verlaufskontrollen durch den behandelnden Arzt sind wichtig – auch noch Jahre nach der Therapie (also nach der operativen Entfernung, Resektion). Jedoch wurde etwa ein Drittel aller Lokalrezidive durch den Patienten selbst ausgemacht. In diesem Fall muss sofort der behandelnde Arzt informiert werden, um die „Entdeckung“ des Rezidivs zu verifizieren. Die Verlaufskontrollen sollten unbedingt bildgebende Verfahren beinhalten. Dies schließt die Bildgebung innerhalb der Schädelhöhle (= intrakraniell“) ausdrücklich mit ein, da es beim alveoläre Weichgewebesarkom zu Hirnmetastasen kommen kann.

Prognose/Überlebensraten

Wie gezeigt, wachsen alveoläre Weichgewebesarkome sehr langsam, sind zunächst für längere Zeit schmerzlos und es kommt durch die Verbindung zu umliegenden Blutgefäßen zu einer hohen Wahrscheinlichkeit von Metastasen über das Blutsystem. Kurzum: zum Zeitpunkt der Diagnose sind alveoläre Weichgewebesarkome meist schon recht groß und es haben sich Fernmetastasen in Lunge oder Gehirn gebildet. Die endgültige Prognose ist schlecht. Viele Patienten leben mit der Erkrankung dennoch Jahre/Jahrzehnte, obwohl die meisten nicht geheilt werden können. Da dieser Sarkomtyp auf Chemotherapie nicht anspricht, unterziehen sich diese Patienten immer wieder Operationen, um die Erkrankung unter Kontrolle halten.

Bemerkungen

Sollten im Krankheitsverlauf Metastasen auftreten, bzw. diese bei Diagnose schon vorhanden sein, wird dringend geraten die Behandlung dieser Metastasen in einem Sarkomzentrum durchführen zu lassen. Neue, innovative Behandlungen werden in diesen Zentren früher Anwendung finden – und auch die Aufnahme in eine klinische Studie ist für viele Patienten ein Weg, der zwingend über ein solches Zentrum führt, da hier die Patienten für solche Studien rekrutiert werden. Umfassendes Wissen zu neuen Medikamenten und Forschungsergebnissen ist hier schneller gewährleistet.

Generell gilt: Sarkome sollten immer in einem auf Diagnose und Therapie von Sarkomen spezialisierten Sarkomzentrum durchgeführt werden. Eine Liste der in Deutschland zertifizierten Sarkomzentren finden Sie hier.